Rede zum Tag gegen patriarchale Gewalt

IMG_1147

Wir sind hier heute geschlossen gegen patriarchale Gewalt auf der Straße. Die Zahlen sind so hoch, die Fakten so erschreckend: fast jeder hier wird schonmal Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt geworden sein oder Menschen kennen, denen dies widerfahren ist. Denn:

 -Jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahren wurde schon mindestens einmal Opfer von häuslicher Gewalt, die von ihrem Ex- oder jetzigem Partner ausging.

 -2020 wurden über 114 Tausend Fälle dieser Partnerschaftsgewalt erfasst, der weit überwiegende Teil an Frauen.

 -Ebenfalls 2020 wurden 8 Tausend Fälle von Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen aufgenommen, dabei ist die Dunkelziffer vermutlich deutlich höher.

 -Und jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland nur auf Grund ihres Geschlechts ermordet.

 -Die Anzahl der Femizide war weltweit 2022, letztes Jahr also, so hoch  wie seit 20 Jahren nicht mehr!

Frauen sind in dieser Gesellschaft massenhaft Gewalt ausgesetzt – von wirtschaftlicher Abhängigkeit bis zu häuslicher, sexualisierter und psychischer Gewalt. Und das trotz der gesellschaftlichen Anerkennung von Frauen mit Gleichstellungsbeauftragten und Frauenförderung. Wir meinen das hat im wahrsten Sinne des Wortes System. Die Wurzel dieser Gewalt an Frauen liegt nicht in der Arschlochhaftigkeit von Männern, in ihren Hormonen oder in der langen Geschichte des Patriarchats, sondern in den kapitalistischen Verhältnissen.

Doch woher kommen die massenhaften Fälle der häuslichen Gewalt? Nicht nur die Arbeit selber für die man von Unternehmen ausgebeutet wird, sondern auch die Freizeit, das Private hinter verschlossenen Türen, ist der Logik des Kapitals unterworfen. Denn auch nach der Arbeit wird man vor lauter Anforderungen gesetzt, die man erfüllen muss, um am nächsten Tag und auf Dauer wieder auf der Arbeit erscheinen zu können.

Doch trotzdem halten die meisten Menschen daran fest, dass sie doch die Arbeit haben, um sich eine schöne Freizeit zu machen – eine Anforderung an diese Freizeit, die gar nicht aufgehen kann! So sorgen knappes Geld und knappe Zeit dafür, dass die Ehe oder eheähnliche Beziehungen für die meisten Menschen weiterhin alternativlos sind, um diese Ansprüche zu erfüllen, auch wenn gar keine Liebe mehr im Spiel ist. Der Spruch „Bis das der Tod euch scheidet“ zeigt das exemplarisch. An die Freizeit und speziell an die Beziehungen wird der Maßstab angelegt, dass sie für die Plackereien des Alltags entschädigen und sie belohnen sollen. Es soll eine Gegenwelt zur Konkurrenz im Arbeitsalltag aufgebaut werden. Diese Entschädigungen für die Härten des Arbeitslebens werden vom Partner eingefordert, er wird dafür verantwortlich gemacht. Natürlich sind diese Erwartungen an den Partner Zumutungen und werden in der Regel enttäuscht. Statt die kapitalistischen Umstände verantwortlich zu machen, wird der Partner beschuldigt, dass es mit dem privaten Glück so häufig nicht funktioniert. Diese Rechtsansprüche auf Liebe sind daher die Quelle der häuslichen Gewalt, die vor allem gegen Frauen ausschlägt. Immer wieder werden Frauen in Partnerschaften vergewaltigt, psychisch oder körperlich missbraucht oder Opfer anderer Art von schwerer Gewalt. Doch meistens ist der Absprung aus der gewaltsamen Beziehung schwerer, als sich mit diesem grausamen Alltag abzufinden. Grade in einer Partnerschaft mit Kindern ist es für eine Frau mehr als nur schwer aus dieser zu entfliehen. Und das vor allem aus ökonomischen Gründen, denn Frauen sind immer noch häufig wirtschaftlich abhängig vom Partner. Gerade Alleinerziehende Frauen sind besonders stark von Armut betroffen! Denn die Anforderungen von Unternehmen an ihre Arbeiter*innen sorgen – erst recht wenn man Kinder bekommt – mit knappem Geld und knapper Zeit dafür, dass es in Beziehungen einen Hauptverdiener (meistens den Mann) und einen Zuverdiener gibt (meistens die Frau), die sich zusätzlich um den Haushalt kümmert. Als Zuverdienerinnen werden Frauen in ihrer Stellung von den Unternehmen ausgenutzt, denn an ihren Lohn wird gar nicht erst der Maßstab gesetzt, um zum Leben zu reichen. So ergibt sich zusammen mit den sogenannten Frauenberufen, die meistens besonders schlecht bezahlt werden ein hartnäckiger Genderpaygap, der immer noch krasse 20 % beträgt. Dieser sorgt erst recht dafür, dass die Frau, als die  Person mit dem geringeren Gehalt nach der Schwangerschaft zuhause bleibt. Ein Teufelskreis, der die Frauen in ökonomischer Abhängigkeit hält und sie dazu verdammt, den Haushalt schmeißen zu müssen. Tagtäglich leisten Frauen weltweit im Schnitt mindestens 12 Milliarden Stunden unbezahlter Carearbeit.

 

Das alles zeigt: unser Kampf sollte keiner darum sein, dass jetzt auch Frauen in Vorständen Ausbeuterinnen sein dürfen, dass Männer sich jetzt kritisch reflektieren und auch mal Emotionen zeigen sollen, sondern es muss um die Beseitigung der kapitalistischen Verhältnisse gehen – in denen die Arbeit grundsätzlich ein Dienst am Kapital und damit Ausbeutung ist, in denen Frauen mit den ihnen abverlangten Geschlechterrollen als Niedriglöhnerinnen, Hausfrauen und Sexobjekte herhalten müssen.

Kein diverser Kapitalismus, sondern gar keiner, das ist unser Ziel!